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07. Juli 2011

Leipziger Firma misst Kuschelweiches

Artikel der Leipziger Volkszeitung vom 01.07.20112011-07-01_lvz

250 Unternehmen stellen Innovationen in Berlin vor / Förderprogramm unterstützt Projekt mit 1,8 Milliarden Euro

Berlin. Blutzuckermessungen könnten schon bald ohne das lästige Piksen vorgenommen werden. Ein innovatives Unternehmen aus Nordrhein-Westfalen stellte gestern auf dem 18. Innovationstag Mittelstand des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin eine erfolgsversprechende Entwicklung vor, die Diabetikern schon bald das Leben erleichtern könnte. Ein Entwicklerteam aus Magdeburg zeigte das Modell eines Minikraftwerks, das Energie aus fließendem Wasser gewinnt. Und allein zwölf Unternehmen aus fünf Bundesländern beteiligen sich an einem Gemeinschaftsprojekt, das Produktpiraten das Handwerk legen soll. Das innovative Netzwerk unter Federführung der TU Darmstadt heißt „CAMP – Centrum für Angewandte Methoden gegen Produktpiraterie“. Martin Ulm von der Hochschule Offenburg zeigte einen Elektro-Flitzer, der mit einer Batterieladung 626 Kilometer weit fahren kann. Das energiesparende Automobil wurde ausgerechnet „Schluckspecht E2light“ genannt.

tsaDaniel Ohndorf von der Leipziger Firma Emtec Elektronik wiederum präsentierte ein neuartiges Messgerät, dass die Weichheit von Textilien bestimmt. Damit wird „kuschelweich“ sozusagen neu vermessen, anhand unbestechlicher Parameter, die eine Art rotierende Flügelschraube durch Geräusche und Schwingungen hinterlässt, wenn sie den Stoff berührt. Was bislang bei den Produzenten von Stoffen, Handtüchern und anderem Kuscheligen per Hand vorgenommen wurde,  übernimmt nun das Gerät. Nicht nur die Hersteller von Textilien, sondern auch Waschmittelfirmen, die Weichspüler produzieren, gehören zu den Abnehmern der Entwicklung aus Leipzig.

Die gestrige Ausstellung mit Exponaten von rund 250 Firmen sowie Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen sei das „Schaufenster der Erfolgsgeschichte Mittelstandsförderung“, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Ernst Burgbacher (FDP) bei seinem Rundgang auf dem Gelände der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) in Berlin Pankow. Auf dieses System der Innovationsförderung in kleinen und mittleren Unternehmen könnten wir in Deutschland stolz sein. „Andere Länder beneiden uns darum“, meinte Burgbacher. In dem seit 2008 bundesweit angelegten „Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand“ (ZIM) wurden 14 000 Anträge mit einem Volumen von 1,8 Milliarden Euro bewilligt. Daran beteiligt sind auch 1967 Projekte aus Sachsen, für die rund 260 Millionen Euro an Bundesförderung genehmigt wurden. Das Berliner AiF prüft, bewilligt und kontrolliert die Förderanträge der Firmen und Einrichtungen. Bereits durchschnittlich sechs Wochen nach Eingang des Antrags, so loben Beteiligte, ergehe der Förderbescheid.

Nach einer Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) macht sich jeder Euro an Förderung mit dem 2,8-fachen der Wertschöpfung bezahlt. So konnten allein in den Jahren 2009 und 2010 rund 70 000 qualifizierte Arbeitsplätze gesichert werden, die 900 Millionen Euro in die Sozialkassen sowie 400 Millionen Euro an Lohnsteuer einspeisten. Speziell für die externe Industrieforschung in den neuen Ländern wurde ein Programm mit einem Volumen von 50 Millionen Euro aufgelegt. Die ZIM-Förderung ist für die Leipziger Emtec mit ihren 15 Mitarbeitern eine wichtige Säule.

Über das ZIM-Programm werden sowohl Einzelunternehmen, als Kooperationen und Netzwerke gefördert. Ein Wermutstropfen sind allerdings die Pläne von Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der die Gelder für die Netzwerke streichen will. Es geht um rund 15 Millionen Euro pro Jahr, die dem Rotstift zum Opfer fallen sollen. Angeblich seien die Verwaltungskosten in diesem Förderberiech zu hoch, hieß es gestern aus dem Bundeswirtschaftsministerium. Innovationsexperten halten die geplanten Kürzungen jedoch für kontraproduktiv. Aus den Netzwerken resultieren rund zehn Prozent der späteren erfolgreichen Forschungskooperationen. „Wer die Netzwerke nicht weiter fördert, säge den Ast ab, auf dem Innovationen entstehen“, hieß es beim ostdeutschen Verband innovativer Unternehmen.

Reinhard Zweigler